Äußere Anwendungen in der Anthroposophischen Pflege

Schafgarben-Lungenwickel

Substanzart

Schafgarbe

Leitgedanke zur Anwendung

Durch seine feuchte Wärme erreicht der Wickel die Tiefe des Organs Lunge und nimmt dorthin die Arzneimittelwirkungen mit. Zitrone hält die Gesamtsituation zusammen, klärt und erfrischt  - Fieberbildung für diese Seite ist dadurch für den Organismus allmählich nicht mehr nötig. Pestwurz heilt den gesamten (superinfizierten) Bronchialraum bis in die Alveolen. Schafgarbe (Millefolium = "Tausendblatt") führt vor allem gestaltende Gliederungskraft (Klangätherwirken) zu, was eine Lunge, die entzündlich dicht und schwer wurde, sehr nötig hat.

Leitgedanke zur Substanz

Indikationen

  • Covid-19-Patienten mit Pneumonie (Fallbeispiel 2), siehe auch Aktuelles
  • Pneumonie (Fallbeispiel 1)
  • Fiebersenkung (statt Wadenwickel) (Fallbeispiel 1)

Durchführungsbeschreibung

Für diesen Wickel gibt es auch eine Video-Anleitung

Besonderheiten:
Bei diesem Wickel gibt es folgende Schwierigkeit zu handhaben: Wir wollen den Lungen- und Bronchialbereich ansprechen (nicht die Oberbauchorgane). Die Tücher müssen jedoch unter den Achselhöhlen hindurchgeführt werden, ohne dass es klemmt. Ebenso muss die Atmung frei fließen können. Trotzdem soll der Wickel dicht anliegen. Erfahrungsgemäß wird er meist zu tief gesetzt.

Die Temperatur des Wickels richtet sich nach der Körpertemperatur des Patienten:

  • Bei Temperaturen über 39,5 sollte die Wickeltemperatur ca. 2 Grad tiefer liegen als die Körpertemperatur.
  • Bei Körpertemperatur unter 38,8 Grad C machen wir den Wickel so heiß, wie es der Patient verträgt. In diesem Fall ist es ratsam, die trockenen Tücher vorzuwärmen, da sonst der Wickel zu schnell auskühlt.

Im Grenzbereich zwischen diesen Temperaturwerten sprechen wir mit dem Patienten ab, ob er den Wickel heiß oder kühl haben will. Ein Anhaltspunkt ist auch das Befinden und der Bewußtseinszustand des Patienten.

Material:
  • Schafgarbentee (Blüten und Blätter), 1 Esslöffel
  • Töpfchen zum Aufbrühen der Wickellösung
  • ½ Liter kochendes Wasser
  • 1 kleine Schüssel
  • 1 Sieb
  • Außentuch
  • Zwischentuch
  • Innentuch
  • 2 flach gefüllte Wärmflaschen (wenn kein hohes Fieber vorhanden ist)


Durchführung der Anwendung:
Vorbereitung
  • Außen- und Zwischentuch in Wärmflaschen wickeln und im Bett platzieren
  • Tee für die Wickellösung aufbrühen und in Schüssel abseihen
  • Innentuch von beiden Seiten LOCKER aufgerollt in die Lösung legen
  • Außen- und Zwischentuch in Thorax-Höhe horizontal und mittig im Bett ausrichten, Patient legt sich auf den Rücken. Platzierungshilfe: Pat. legt die Arme gestreckt links und rechts des Kopfes ab, dann die trockenen Tücher bis in die Hälfte der Achselhöhlen ausrichten


Anlegen des Wickels
  • Patient setzt sich nochmal auf, das Innentuch auswringen, auf dem Rücken anlegen und bis zu den Seiten des Oberkörpers abrollen
  • Patient legt sich zurück, Arme gestreckt nach oben, das feuchte Tuch weiter über die Brust abrollen, übereinanderschlagen und sofort mit dem Zwischentuch bedecken
  • Nun eine Korrektur mit dem Zwischen-Tuch vornehmen: NUR die Ränder festziehen, damit am Rand Verdunstungskälte vermieden wird. In der Mitte des Wickels kommen lockere Falten zustande, somit werden die Brüste der Frauen nicht gequetscht.
  • Als Nächstes das Außen-Tuch darüber schlagen und ebenso verfahren. Das feuchte Tuch muss vollständig abgedeckt sein vom Zwischentuch. Das Zwischentuch ist vollständig abgedeckt durch das Außentuch.
  • Patient legt die Arme zurück neben den Oberkörper. Ist der Wickel jetzt zu eng, kann man ihn folgendermaßen dehnen: ein Griff unter die Achselhöhlen/ unter die Wickeltücher und diese mit einem kurzen kräftigen Ruck auseinanderziehen
  • Wärmflaschen von beiden Seiten her im Thoraxbereich unterlegen

  • Dauer der Anwendung: 30 Minuten
  • Danach alle Tücher abnehmen
  • 30 Minuten nachruhen


Nachbereitung:
  • Innentuch auswaschen, alles zum Trocknen aufhängen

Beurteilungssicherheit
Bei vielen Patienten bewährt
Dosierung
1x täglich
Wirkungseintritt
Unmittelbar
Therapiedauer
Je nach Verlauf, tägliche Anwendung über einige Tage bei Bedarf auch länger
Weitere Therapieempfehlungen
Die Anwendung von Schafgarbe beim Lungenwickel kann durch jede andere angezeigte Substanz z.B. Ackerschachtelhalm, Pestwurz, Zitrone (insbesondere bei Fieber), Meerrettich, ersetzt oder ergänzt werden.
Beim Schafgarben-Lungenwickel mit Zugabe von Zitrone, wird die Zitrone in der fertigen Schafgarbenlösung eingeschnitten und ausgepresst. Diese Variation ist bei Kindern bei jedem hohen Fieber als fiebersenkende Maßnahme hilfreich, an Stelle von Wadenwickeln. Wenn das Kind unter dem Wickel einschläft, kann der Wickel bis zum Aufwachen des Kindes belassen werden, er darf ausnahmsweise auch am Körper trocken werden.

Durchführungsanleitung zum Download

Fallbeispiel

Fallbeispiel 1
Ein 5½ Jahre alter Junge wird mit beidseitiger Lungenentzündung in der Kinderklinik des Klinikums Heidenheim stationär behandelt. Die Mutter lehnt alle Schulmedizin ab, auch das angeratene Antibiotikum. Die Belegklinik für Homöotherapie (homöopathisch-anthroposophische Medizin) wird konsiliarisch hinzugezogen. Nach vier Tagen wird deutlich, dass wir durch die räumliche Entfernung beider Kliniken voneinander das Kind nicht intensiv genug behandeln können. Sein Zustand droht zu entgleisen. Ich übernehme es auf Wunsch der Mutter in die o.g. Belegklinik.
Das Kind ist äußerst zierlich gebaut, mit wenig leiblicher Substanz auf dem filigranen Knochenbau. Es ist matt und erschöpft von ständigem Hustenreiz, zuwendungsbedürftig, hat Fieberbacken und eine Lippenzyanose. Die Atmung ist diskontinuierlich anstoßend, flach, angestrengt. Nasenflügeln besteht als typisches Zeichen einer Lungenentzündung. Es liegt eine Sauerstoffsonde. Beidseits bestehen als Zeichen der Luftnot Einziehungen des unteren Brustkorbes. Über der Lunge hört man feuchte Rasselgeräusche. Das Herz schlägt phasenweise schnell. Die Bauchdecken sind weich bei massivem Blähungszustand. Füße lauwarm. Temperatur rektal 39° C um 19 Uhr.
Wegen zunehmender Hustenattacken abends und nachts und nächtlicher Unruhe hat das Kind seit einer Woche nur wenig geschlafen, die Mutter ebenso.
Der Junge bekommt noch am Abend eine anfängliche orale anthroposophisch-homöopathische Medikation und einen zirkulären Brustwickel mit Schafgarbe (Millefolium), Pestwurz (Petasites officinalis) und -wegen des Fiebers- Zitrone. Dauer ca. 45 Minuten. Um 21.30 Uhr schlafen Kind und Mutter tief, jedes in seinem Bett, einander zugewandt. Der Junge atmet regelmäßig und unangestrengt, er stöhnt manchmal im Schlaf, einmal tritt ein heftiger Hustenanfall auf. Die ärztliche Visite gegen Mitternacht wird von beiden nicht bemerkt. Am Morgen beträgt die Temperatur 37,8 °C. Der Junge isst seinen Brei, die Lebensgeister rühren sich also wieder. Mit dem Wickel und seiner Nachwirkung ist eine Wende eingetreten, eine durchgreifende Behandlung hat begonnen.
Durch das Schlafen müssen sich die vegetativen Kräfte nicht weiter vergeblich verbrauchen, so wird der Weg für lokale Neugestaltung und Regeneration frei.
In der Folge wird die anthroposophisch-medizinische Therapie intensiviert und ausgeweitet nach ärztlicher Erfahrung, täglichem Erscheinungsbild des Kindes und seiner individuellen Konstitution. Über acht Tage ist der Junge noch ziemlich krank, nachts benötigt er Sauerstoff. Die Temperatur sinkt wellenförmig. Der geschilderte Schafgarben-Lungenwickel wird über 3½ Tage = 4 mal weitergeführt, ab dem 4. Tag dann ohne Zitrone. Nach 14 Tagen kann der kleine Patient entlassen werden.
MK

Fallbeispiel 2
Eine 81 Jahre alte Patientin mit einer Covid-19 Erkrankung entwickelte 8 Tage nach Krankheitsbeginn eine Pneumonie mit Atemnot und Fieber. Weitere zwei Tage später wurde eine Krankenhaus-Behandlung erforderlich. Dort fand eine kontinuierliche Verschlechterung statt, es bestand Sauerstoffbedarf (10-15l/ Minute). Neben allopathischer Medizin erfolgte auch eine Behandlung mit anthroposophischen Medikamenten. In dieser ernsten Situation wurde am Tag 14 der Erkrankung einmalig der Schafgarben-Lungenwickel durchgeführt. Eindrucksvoll war die am Monitor deutlich sichtbare Besserung der O2-Sättigung die auch nach Abnahme des Wickels für mehrere Stunden anhielt. Die Patientin empfand den Wickel als „eine Wohltat“, aber die 20 Minuten Anwendungsdauer schien für die schwersterkrankte Patientin zu lang zu sein, denn sie war danach erschöpft. Der Zustand verschlechtere sich weiter, so dass eine high-flow-Beatmung erforderlich wurde. Während drei Tagen konnten keine weiteren Wickel angewendet werden, es wurden jedoch Rhythmische Rücken/ Thorax-Einreibungen nach Wegman/ Hauschka mit Millefolium 10% Salbe durchgeführt. Danach waren bei stetiger Besserung des Zustandes weitere Schafgarbentee-Lungenwickel möglich und wurden von der Patientin sehr geschätzt. Sie ist mittlerweile nicht mehr O2-pflichtig und weiter auf dem Weg der Besserung.
UR

Autor

MK, AL, UR, Red.