Äußere Anwendungen in der Anthroposophischen Pflege

Senfmehl-Wadenwickel

Substanzart

Senfmehl

Leitgedanke zur Anwendung

Durch die Anwendung von feucht-warmen Senfmehlwickeln auf der Haut wird ein starker, lokaler Reiz ausgelöst, der vom Patienten nach wenigen Minuten als brennende Hitze wahrgenommen wird. Diese Wahrnehmung lenkt die Aufmerksamkeit und Empfindung von der akut empfundenen Atemnot beim Asthmatiker, verbunden mit einer Spastik der Atemwege, in den unteren Menschen, an den Ort der Anwendung. Es handelt sich um ein Ableitungsverfahren, wie es in der Naturheilkunde auch bei anderen Krankheitsbildern und mit anderen Mitteln zum Einsatz kommt. Diese Anwendung kann akut zu einer Lockerung und Lösung der Atemspastik beitragen. Bei chronischen Erkrankungen wie der COPD, ist es eventuell nötig, die Anwendung mehrere Tage hintereinander zu wiederholen, bis es beim Patienten zu einer ausreichenden Reaktion (Brennen und Hautrötung) im Wadenbereich kommt.

Leitgedanke zur Substanz

Indikationen

  • Asthma bronchiale
  • COPD (siehe Fallbeispiel)
  • Dissoziation

Durchführungsbeschreibung

Besonderheiten:

  • Senfmehl muß luftdicht, kühl und lichtgeschützt aufbewahrt werden. Es sollte möglichst frisch gemahlenes Senfmehl verwendet werden, da es schnell an Wirkkraft verliert!
  • Senfanwendung nur auf intakte, gesunde Hautflächen!
  • Die Anwendung ist wegen der nach wenigen Minuten zu erwartenden Hautreaktion (Rötung) vom Anwender aufmerksam zu begleiten, Spätreaktionen sind möglich
  • Ziel ist eine beginnende Hautrötung, so dass die behandelte Hautfläche erkennbar röter ist, als die die unbehandelte Haut. Dieser Effekt ist innerhalb eines Zeitraumes von ca. 2 -12 Minuten zu erwarten. Der Patient sollte den Beginn des kräftigen Brennens auf der Haut erleben. Es gibt Patienten, die die Hautreizung nicht fühlen und/ oder keine Hautrötung zeigen, es aber trotzdem zu einer Verbrennung kommen kann. Deswegen ist eine enge Begleitung nötig.


Material:
  • 2 Außentücher (es muß damit gerechnet werden, dass der Senf durch die Tücher durchschlägt, so dass davon abgeraten wird ein Wolltuch zu nehmen, da die Wolle dadurch hart/ filzig wird)
  • Als Zwischentücher je ein Frottee-Handtuch als Nässeschutz
  • 2 Innentücher doppelt so groß wie die Auflagefläche (10cm x 10cm)
  • 2 Küchenpapiere mehrlagig in gleicher Größe wie das Innentuch (10cm x10 cm)
  • Gefäß zum Anrühren des Senfmehls
  • Holzspatel oder Esslöffel
  • 2 Wärmflaschen, abgedeckt mit Plastik
  • Heißes Wasser
  • Schwarzes Senfmehl


Durchführung der Anwendung
Senfpackungen vorbereiten:
  • Senfmehl mit Wasser zügig zu einem Brei anrühren
  • Auf das Innentuch das Küchenpapier legen
  • Den Brei messerrückendick auf das Küchenpapier streichen und zusammen mit dem Innentuch ein Päckchen falten. Die beiden fertigen Packungen auf die (mit Plastik) abgedeckten Wärmflaschen legen
  • Mit dem Material zum Patienten gehen

Die Beine werden nacheinander eingewickelt:
  • Patient liegt in Rückenlage in seinem Bett
  • Das Außentuch, in der Länge halbiert und von beiden Seiten eingerollt, unter den Unterschenkel legen
  • Das Zwischentuch, von beiden Seiten eingerollt, darauflegen
  • Das Senfpäckchen auf das Zwischentuch legen, die Seite die nur eine Stofflage hat, wird nach oben (zur Wade) gerichtet.
  • Den Patienten das Bein darauf legen lassen
  • Alle Tücher nacheinander anplastizieren
  • Die gleiche Abfolge am anderen Bein durchführen
  • Den Patienten zudecken
  • Dauer wie oben bei „Besonderheiten“ beschrieben (2-12 Minuten)

  • Nach Abnahme der Senfpackungen und des Zwischentuchs die feuchte Haut etwas mit Wasser abtupfen. Sind die Außentücher noch trocken, können die Unterschenkel wieder darin eingewickelt werden für die Nachruhe
  • 30 Min. Nachruhe
  • Es gibt Situationen, in denen es angezeigt ist, anschließend mit etwas Öl (z. B. Lavendelöl) lokal das Brennen zu „löschen“, z. B. bei Kindern
  • Das Brennen hält in der Nachruhe an und klingt allmählich ab


Nachbereitung:
  • Das Senfmehl wird zusammen mit dem Küchenpapier entsorgt
  • Die anderen Tücher auswaschen und zum Trocknen aufhängen
  • Die nächste Senfanwendung kann frühestens am nächsten Tag erfolgen, bzw. wenn die Hautrötung abgeklungen ist

Beurteilungssicherheit
Bei vielen Patienten bewährt
Dosierung
1x tgl.
Wirkungseintritt
Meistens nach 2-3 Minuten, wenn das Gefühl eines Brennreizes beginnt
Therapiedauer
  • Bei Asthma meist einmalig als Akutmaßnahme
  • Bei anderen Indikationen sowohl als einmalige Anwendung, wie auch über mehrere Tage bis Wochen
Warnhinweise
Kontraindikationen
  • Kein Senfwickel auf gerötete, erkrankte oder bestrahlte Haut!
  • Unverträglichkeit gegen Senf

Generell gilt für alle Senf-Anwendungen:
  • Keine Anwendung länger als 20 Min. (Gefahr der Nervenschädigung in der Haut und Nekrosebildung)
  • Bei Hautempfindlichkeit, bei Sensibilitätsstörungen und bei mangelnder Körperempfindung gilt besondere Vorsicht

Durchführungsanleitung zum Download

Fallbeispiel

Ein 64jähriger Patient mit einer infektexacerbierten COPD litt unter starker Atemnot mit ausgeprägter Spastik der Atemwege. Er erhielt Bronchospasmolytika sowie eine Antibiotika-Therapie. Erst nach der vierten Senfmehl-Anwendung verspürte der Patient nach 12 Minuten ein stärker werdendes Brennen an den Waden („wie Brennnessel“), jedoch war noch keine Hautreaktion zu sehen. Nach weiteren Anwendungen stellte sich dann auch eine Hautrötung ein und im weiteren Verlauf war dann eine deutlich Lösung der Atemwegs-Spastik zu beobachten.
BD

Autor

BD, Red.

Literatur

  • Doering et al., Pilot-Senffussbad-Studie, Forsch. Komplementärmedizin 1998; 5:279-282
  • Simon,L., Zur Polarität von Senf und Ingwer, in: „Ingwerstudie“, Verband anthr.orient.Pflegeberufe, 2.Auflage 2001
  • Simon, L.; Senfwickel und entzündliche Krankheitsprozesse bei hysterischer Konstitution. Der Merkurstab 1998; 51: 5-12
  • Gloger et al., Asthma bronchiale in der Anthroposophischen Medizin, Teil 3, Der Merkurstab, 2/2019
  • Deckers, B. Senfwickel-Behandlung bei Pneumonie – eine Kasuistik. Der Merkurstab 2014; 67: 141-142
  • Vademecum Anthroposophische Arzneimittel, 4. Auflage, Artikel „Gencydo“, Indikation „Asthma bronchiale bei Jugendlichen und Erwachsenen“, siehe unter weitere Empfehlungen