Äußere Anwendungen in der Anthroposophischen Pflege

Schafgarben-Leberwickel

Substanzart

Schafgarbentee aus der ganzen blühenden Pflanze (ohne Wurzeln)

Leitgedanke zur Anwendung

Durch feucht-heiße Leberwickel kann die Leberfunktion so unterstützt werden, dass unangenehme Auswirkungen einer belasteten Leber, u.a. Schlafstörungen, depressive Stimmung, Antriebslosigkeit und auch Leberkapselschmerzen wohltuend beeinflusst werden können.

Leitgedanke zur Substanz

Indikationen

  • Angst (siehe Fallbeispiel 1)
  • Appetitlosigkeit bei Chemotherapie (siehe Fallbeispiel 5)
  • Subakut sklerosierende Cholangitis (siehe Fallbeispiel 6)
  • Depression (siehe Fallbeispiele 1-4)
  • Erschöpfung (siehe Fallbeispiele 1-4, 7 & 9)
  • Geschmacksverlust bei Chemotherapie (siehe Fallbeispiel 5)
  • Hauterkrankungen
  • Lebererkrankungen
  • Prämenstruelles Syndrom
  • Schlafstörungen (siehe Fallbeispiele 1, 2, 7 & 9)
  • Verdauungsbeschwerden  und Verdauungsschwäche (Darmkrämpfe, Blähungen, Übelkeit) (siehe Fallbeispiel 1 & 8)
  • Unruhe (siehe Fallbeispiele 1-4)

Durchführungsbeschreibung

Für diesen Wickel gibt es auch eine Video-Anleitung

Besonderheiten
Die Tageszeit der Anwendung ist abhängig von der Indikation
Bei diesem Wickel ist besonders zu beachten:

  • dass der Oberkörper meistens konisch zur Taille zuläuft
  • dass dieser Körperteil sich mit dem Atem bewegen können muss


Das heißt, die Wickeltücher müssen dicht anliegen, ohne die Atmung zu behindern: Führung der Wickeltücher von der Taille aus schräg nach oben, mit der Hand an den Körper anplastizieren, ohne zusätzlichen Zug.

Material
  • Außentuch
  • Zwischentuch
  • Innentuch
  • Auswring-Hilfe: ggf. Gummihandschuhe, Auswringtuch
  • Wärmflasche heiß gefüllt, entlüftet
  • Mittelgroße Schüssel
  • Schafgarbentee: 1 Esslöffel Schafgarbenkraut (Kraut mit Blüten) mit 1/2 Liter kochendem Wasser überbrühen, nur 3-5 Minuten ziehen lassen,  dann sofort abseihen in eine Thermoskanne (wird durch Stehenlassen grünlich). Die Farbe der fertigen Wickellösung ist deutlich goldgelb bis leicht grünlich.


Durchführung
  • Außentuch und Zwischentuch in Oberbauchhöhe ins Bett legen
  • Der Patient legt sich darauf
  • Innentuch auf Lebergröße falten. Länge: ab Wirbelsäule nach vorne bis knapp zur Mitte vorne. Breite: Nabelhöhe bis Brustansatz
  • Tee in die Schüssel geben
  • Gefaltetes Innentuch in die Wickellösung legen, so dass es gut durchtränkt ist, dann gut auswringen! Der Patient dreht den Oberkörper leicht nach links. Das heiße Tuch zunächst vorsichtig anfächeln, bis die Hitze vertragen wird, dann das Innentuch von der Wirbelsäule beginnend nach vorne auf die Leber anlegen. Sonnengeflecht (Solar-Plexus) und Wirbelsäule bleiben frei.
  • Mit dem Zwischentuch das Innentuch nacheinander von beiden Seiten anplastizieren und dann zügig das Außentuch einhüllend folgen lassen
  • Wärmflasche an die rechte Seite anlegen, Patient zudecken, einschließlich der Schultern und der Füße
  • Nach 30 Minuten Wickel und Wärmflasche entfernen, diese Körperstelle wieder abdecken, z.B. das hochgeschobene T-Shirt wieder nach unten ziehen
  • Weitere 30 Minuten Nachruhe einhalten


Nachbereitung
  • Der Patient sollte nach Möglichkeit nach der Nachruhe aufstehen. Ausnahme: Wickel zur Nachtruhe
  • Innentuch auswaschen und alle Tücher zum Trocknen aufhängen

Beurteilungssicherheit
Bei vielen Patienten bewährt
Dosierung
1 mal täglich bis 2 mal wöchentlich
  • Im allgemeinen vormittags anwenden (zur Stärkung der aufbauenden Tätigkeit der Leber,v.a. bei Erschöpfungszuständen)
  • Nach dem Mittagessen anwenden: bei Verdauungsbeschwerden
  • Abends anwenden: bei Schlafstörungen, auch bei Depressionen


Wirkungseintritt
Oft schon bei der ersten Anwendung
Therapiedauer
Abhängig vom Therapieziel kann eine Anwendung über mehrere Wochen angezeigt sein
Weitere Therapieempfehlungen
  • Alternativ ist die Anwendung von Schafgarbe auf die Leber auch als Ölwickel möglich, siehe Anwendungsbeschreibung des Schafgarbenölwickels
  • Wenn ein Schafgarben-Leberwickel aufgrund einer zu starken Erschöpfung nicht möglich erscheint, sollte eine innerliche medikamentöse Behandlung die Grundlage bilden

Warnhinweise
  • Vorsicht bei seelisch labilen Patienten vor allem zu Beginn einer Therapie, und bei Patienten mit Erschöpfung mit zu großem Kräftedefizit
  • Bei akuter Hepatitis sollte die Temperatur des Wickels abgemildert werden


Nicht anwenden bei:
  • Akutem Abdomen
  • Akuten Entzündungen im Bauchraum
  • Plötzlich auftretenden Bauchschmerzen unklarer Genese
  • Hohem Fieber
  • Verdacht auf innere Blutungen

Durchführungsanleitung zum Download

Fallbeispiel

Fallbeispiel 1
Eine 35 jährige Patientin kam mit einer akuten depressiven Episode ohne Suizidalität in die Klinik. Sie litt unter Durchschlafstörungen, Angst und Unruhe, nachdem sie ihre Arbeitsstelle verloren und ihr Lebenspartner sich von ihr getrennt hatte.
Die zusätzlich auftretenden Darmkrämpfe, Blähungen, Übelkeit und mangelnder Appetit verstärkten die Kraftlosigkeit.
Es wurde mittags ein Schafgarben-Leber-Wickel angewendet. Nach der 2. Anwendung normalisierte sich die Darmfunktion, die Durchschlafstörungen verbesserten sich. Angst und Unruhe nahmen ab. Insgesamt wurde sie mit 6 Anwendungen behandelt.
MM

Fallbeispiel 2
Eine 42 jährige Frau kam mit einem Mamma-Karzinom li. zur Weiterbehandlung.
Seit einem Jahr bestand eine mittelgradige depressive Episode mit Schmerzen, Unruhe und Durchschlafstörungen.
Während ihres 3-wöchigen Aufenthaltes erhielt sie 15 Schafgarben-Leber-Wickel.
Die ersten Anwendungen verursachten extremes Schwitzen, die sich entwickelnde Wärme wurde ihr zu viel. Da sie in der Nachruhe sehr gut entspannen und schlafen konnte, wurden die Wickel dennoch weitergeführt.
Insgesamt erholte sich die Patientin gut und konnte beschwerdefrei entlassen werden.
MM

Fallbeispiel 3
Eine 39 jährige Patientin mit großen beruflichen Anforderungen litt seit 5 Monaten an einer mittelgradigen depressiven Episode mit verschiedenen psychosomatischen Symptomen wie Kraftlosigkeit, Unruhe und Nervosität.
Sie erhielt insgesamt 16 Schafgarben-Leber-Wickel jeweils nach dem Mittagessen. Während dieser Anwendungen schlief sie oft ein. Eine weitere Wirkung war die Verbesserung Schlafqualität. Sie verspürte wieder Freude und konnte Gefühle zulassen.
Die Wickelanwendung erlernte sie während des stationären Aufenthaltes, um sie zu Hause selbständig weiterzuführen.
MM

Fallbeispiel 4
Eine 55 jährige Patientin wurde  mit einer psychogenen Erschöpfung stationär aufgenommen.
Die Beschwerden bestanden schon seit 2 Jahren: Unruhe, negative Gedanken, Hoffnungslosigkeit, zusätzlich wurde eine körperliche Müdigkeit erlebt.
Sie erhielt 16 Schafgarben-Leber-Wickel im Laufe eines 4-wöchigen Aufenthaltes.
Während der Anwendungen war ihr die Wärme, die sich im ganzen Körper ausbreitete, sehr angenehm. Sie wurde müde und schlief danach eine Weile. Diese Erlebnisse erzeugten in ihr ein positives Lebensgefühl, Sicherheit, Hoffnung und Mut.
MM

Fallbeispiel 5
40-jähriger Patient mit Seminom litt während der ersten zwei Zyklen einer Chemotherapie unter starker Übelkeit, Appetitlosigkeit, Geschmacksverlust  und Müdigkeit. Ab dem dritten Zyklus erhielt er täglich begleitend Schafgarben-Leberwickel und vertrug diese gut. Es traten keine Appetitlosigkeit und keine Geschmacksveränderungen mehr auf. Der Patient setzte die Wickelanwendung zu Hause fort und berichtete über weiter anhaltende Besserung.
(Quelle: Der Merkurstab 2/16, N.Bruchner, J.Schier, Schafgarbe-Tee-Leberwickel bei Chemotherapie-assoziierten Beschwerden bei einem 40-jährigen Patienten mit Seminom – eine Kasuistik)

Fallbeispiel 6
Ein Patient mit primär sklerosierender Cholangitis und entsprechendem Umbau der Leber, der über viele Jahre mit anthroposophischen Mitteln gut stabilisiert werden konnte, beendete von sich aus nach ca. 15 Jahren Behandlung die anthroposophische Therapie, um sich selbst ausschließlich durch Meditation zu heilen. Dies führte innerhalb weniger Monate zu einer dramatischen Dekompensation der Erkrankung. Als der Patient auf Drängen seiner Frau wieder zum Arzt ging, zeigte er eine stark fortgeschrittene Leberinsuffizienz. Er hatte bei einer Gewichtszunahme von 77 auf 91kg massive Ödeme vor allem im Bereich des Leibes und der Beine entwickelt, die entsprechend angeschwollen und voll offener, entzündeter Stellen waren.
Da der Patient erst einmal vom Arzt von einer notwendigen medikamentösen und klinischen Behandlung überzeugt werden musste, ordnete dieser als milde Erstmaßnahme einen Schafgarben-Leberwickel an. Der Wickel wurde umgehend in der Pflegepraxis angelegt, nach dem Wickel und der einzuhaltenden Nachruhe von einer halben Stunde ging der Patient begleitet von seiner Frau nach Hause. Nach wenigen Stunden begann eine intensive Flüssigkeitsausscheidung, wobei auch die Haut beider Beine deutlich sezernierte, die Spannung und die Schmerzen in den Beinen ließen nach. Die Ehefrau machte nun täglich einen Schafgarbenleberwickel und nach 4 Tagen – „über Nacht“, so der Patient, waren die Beine abgeschwollen und die offenen Stellen abgeheilt. Im weiteren Verlauf gelang eine Restabilisierung, sodass der Patient lebertransplantiert werden konnte.
GS, US

Fallbeispiel 7
Eine 78jährige Patientin kommt mit schwerer Erschöpfung in stationäre Behandlung. Sie hat ein Arbeitsleben lang (bis 68 Jahre) einen sehr anstrengenden Beruf mit Tag- und Nachtdiensten ohne gesundheitliche Einschränkungen ausüben können. Auch im Ruhestand
ist sie körperlich und geistig sehr leistungsfähig. Es entwickeln sich multiple degenerative Organerkrankungen, die aber durch Anwendung einer umfangreichen und differenzierten anthroposophischen Medizin die Aktivität der Patientin nicht beeinträchtigen. Eine TEP-Versorgung beider Hüften leistet ihren Beitrag dazu.
Seit einigen Wochen nun aggraviert eine zunehmende Erschöpfung vielfältige Einzelsymptome der vorliegenden somatischen Erkrankungen. Eine kurzzeitige TIA wird folgenfrei durchgemacht. Es bestehen gravierende Durchschlafstörungen, hoher Blutdruck ohne Nachtabsenkung, unsägliche Müdigkeit schon ab Aufwachen, innere Unruhe, dabei seltsam „aufgekratzt“, sie ist kraftlos, alles strengt an. Sie fühlt sich insgesamt „wie entkernt“, beinahe subdepressiv. Sie friert sehr schnell, hat eiskalte Füße.
Es wird ein Schafgarben-Leberwickel angeordnet, in dem zur Verstärkung der Leberbehandlung zwei Tbl. Hepatodoron zerquetscht und 10 Tropfen Erdbeernüsschen als Dilution beigefügt werden (Fragaria vesca Nuces = die harten und bitteren Früchte auf dem so beliebten Fruchtboden). Der Wickel wird vom 1. Behandlungstag an während fünf Tagen pro Woche, jeweils am Morgen um ca. 10 h durchgeführt. Er wird von der Patientin von Anfang an geliebt. Schnell schläft sie tief ein (siehe weiter hinten). Ein endgültiges Durchgreifen der Behandlung zieht sich lange hin, doch schon am 3. Behandlungstag fühlt sie sich „etwas kräftiger als zuvor“. 4. Behandlungstag: „Die Anwendungen tun sehr gut“. Am 10. Behandlungstag sehr gute Nacht, „erstmals kräftiger“. 12. Behandlungstag: „Nicht erschöpft“, -beides leider noch nicht konstant. 14. Behandlungstag (vor Entlassung): gute Nacht, lange geschlafen. Fühlt sich kräftiger, die letzten drei Behandlungstage mit Fortführung der Wickel haben noch viel gebracht. Am Abend erhält die Patientin wegen ihrer kalten Füße jeweils ein Quercus-Fußbad und oft noch eine Wärmflasche.
Zum Zeitpunkt der Entlassung – nach 15 Tagen, also nach relativ kurzer Zeit – ist für die Patientin selbst und ihre Umgebung „eine deutliche Wende in der psychophysischen Gesamtkonstellation sichtbar“ (Eintrag im Arztbrief). Der Leberwickel war dazu eine basale Maßnahme.
Zur Rückbildung sämtlicher erschöpfungsbedingten Symptome schließt sich eine fünfwöchige Reha-Behandlung in einem Anthroposophischen Sanatorium an. Der Leberwickel wird dort 3x/Woche fortgeführt und nach weiteren drei Wochen bittet die Patientin um Absetzen desselben, sie fühlt sich „wieder mit Kraft aufgefüllt“, eine Weiterführung würde jetzt „das Gefäß der Kraft zum Überfließen bringen und deshalb anstrengend sein“. Toleriert wird eine postprandiale Auflage eines feucht-warmen Heublumensackes auf die Leber für die restlichen 10 Tage des Aufenthaltes. Das folgende Leben kann wieder ohne Leberwickel stattfinden. Die Füße sind nicht mehr so penetrant eiskalt. Sie wird immer mehr „ein normaler Mensch mit entsprechendem Alter“. „Die Lage bleibt stabil“.
Die speziellen Erlebnisse dieser Patientin unter dem Leberwickel waren folgende:
1.Während des Wickels entwickelte sich dreimal ein sozusagen vor Ort originär entstehender Wärmeschub, der sich vom rechten Oberbauch aus wohlig über den Leib caudalwärts zu den Füßen hin ausbreitete und dabei den „oberen Menschen“ nicht bedrängte.
2.Der Leberwickel fördert und erzieht das Zeitgefühl: schon bald findet das Aufwachen aus tiefem Schlaf im Wickel und dann noch einmal am Ende der Nachruhe jeweils ziemlich pünktlich und regelmäßig nach einer halben Stunde statt mit dem Gefühl, „der Wickel hat seine Zeit bekommen“. Die gesamte Zeit, während die Patientin einen Leberwickel erhalten hatte, dauerte insgesamt 5 Wochen.
MK

Fallbeispiel 8 (Verdauungsprobleme)
Eine 25-jährige Patientin mit Verdauungsproblemen, klagt nach jeder Mahlzeit über Völlegefühl, Meteorismus und Spannungsschmerz im rechten Oberbauch. Sie zeigt einen Schmerzparameter von 7 an. Die Leberbehandlung mit einem Schafgarbenteewickel abends wird unterstützt durch eine Fenchelölauflage auf den Bauch mittags. Die Leberbehandlung wird als sehr angenehm erlebt und sie kann gut entspannen. Nach 5 Behandlungen erlebt die Patientin eine deutliche Normalisierung der Verdauungstätigkeit. Die Patientin hatte das Bedürfnis, die Leberwickel am Abend weiter anzuwenden.
LM

Fallbeispiel 9
Eine Krankenschwester beschreibt, dass der Schafgarben-Leberwickel bei Menschen, die über Frühjahrsmüdigkeit klagen, besonders im März nach einem langen kalten Winter, sehr heilsam sein kann. Die Menschen klagen über Energielosigkeit und Schlafstörungen. Das Ziel war, eine Entschlackung einzuleiten und zu fördern.
Die Wickelkur wurde während zwei Wochen abends vor dem Schlafengehen durchgeführt. Das besondere war, dass die Personen mit dem Wickel eingeschlafen sind.
Parallel dazu wurde den Menschen empfohlen, in dieser Zeit viel Tee und stilles Wasser zu trinken.
In der ersten Anwendungswoche berichteten sie, dass sie mehrmals nachts aufgewacht sind. In der zweiten Woche wurde der Schlaf besser.
Die Wickel wurden allgemein als sehr wohltuend erlebt und zeigten eine nachhaltige Wirkung.
ChM

Autor

Red., MM, GS, US, LM, ChM

Literatur

  • Monika Fingado: Therapeutische Wickel und Kompressen, Natura Verlag
  • Wilhelm Pelikan: Heilpflanzenkunde 1, Philosophisch Anthroposophischer Verlag
  • Markus Sommer:Heilpflanzen, ihr Wesen, ihre Wirkung, ihre Anerkennung, aethera im Urachhaus Verlag