Kamillen-Dampfsitzbad
Substanzart
Kamillenblüten
Leitgedanke zur Anwendung
Das Kamillen-Dampfsitzbad durchwärmt den unteren Menschen und bringt so das Gebiet der Ausscheidung wieder ins Bewusstsein. Der Harndrang und die Schmerzen lassen nach und durch den warmen Kamillendampf desinfiziert es gleichzeitig den Genitalbereich. Nach und nach dehnt sich die Wärme auf den ganzen Menschen aus.
Leitgedanke zur Substanz
Indikationen
- Blasenentzündung/ Harnwegsinfekt
- Prophylaxe von Harnwegsinfekten
- Nachbehandlung von Harnwegsinfekten
- Blasenreizung (siehe Fallbeispiel)
- Blaseninkontinenz (auch Verbesserung der Stuhlinkontinenz)
- Harnverhalt
- Obstipation
- Anhaltender Harndrang (Fallbeispiel 2)
Durchführungsbeschreibung
Für diese Anwendung gibt es auch eine Video-Anleitung
Zwei Esslöffel Kamillenblüten mit einem Liter kochendem Wasser übergießen und zugedeckt 10 Minuten ziehen lassen. Den Aufguss mit Blüten in den Topf eines Nachtstuhls leeren (wenn nicht vorhanden, in eine Plastikschüssel, die man in die Toilette stellt, so dass sich der Patient auf die Klobrille setzen kann und nur durch den Dampf erwärmt wird).
Der Patient trägt Hausschuhe und Strümpfe. Sitzt der Patient auf der Toilette, wird der Unterleib während dem Dampfbad mit einem Badetuch eingehüllt, damit die aufsteigende Wärme nicht verloren geht. Nach dem Dampfsitzbad Patient abtrocknen und anziehen, im Idealfall eine halbe Stunde im Bett nachruhen lassen.
Verweildauer des Kamillendampf-Sitzbades: ca. 15-20 Minuten – so lange der Dampf angenehm warm ist; der Patient darf nicht auskühlen.
Variation: Bei längerer Behandlung z.B. bei chronischen Harnwegsinfekten kann die Anwendung der Kamille zu einer Austrocknung der Schleimhäute führen. In diesem Fall kann man die Dampfsitzbäder mit Kamillenblüten im Wechsel mit Lindenblüten durchführen.
Zur Pflege der Schleimhäute eignet sich sehr gut die Weleda "Mandel Sensitive - Wohltuende Gesichtscreme", alternativ kann auch ein wenig Mandelöl aufgetragen werden.
Bei Männern ist aus anatomischen Gründen Vorsicht geboten.
Eingeschränkte Wirkung, wenn der Topf zu niedrig, oder aus Blech ist oder wenn der Aufguss zu früh (nach weniger als 10 Minuten ziehen lassen) verwendet wird.
Nicht anwenden bei Kamillenallergie
Durchführungsanleitung zum Download
- Anleitung Kamillen-Dampfsitzbad
Dateigröße: 162 KB
Fallbeispiel
Diese Anwendung ist hundertfach erfolgreich erprobt im Universitätsklinikum München Großhadern und gehört dort zur Standardbehandlung bei Frauen nach Nierentransplantation (s. Literatur).
Fallbeispiel 1
Eine 80-jährigre zarte, dunkelhaarige kunstsinnige zur Melancholie bis depressiven Grundhaltung neigende Frau hatte seit etwa 2 Jahren ein Plattenepithel-Ca der Harnblase. Ihr wurde eine totale Blasenexstirpation angeraten. Sie lehnt ab. Ersatzweise wird zuerst eine lokale Abtragung von Tumorgewebe, dann alle 4 Wochen eine Instillationstherapie mit BCG (Bacillus Calmette-Guerin) durchgeführt, die sie körperlich und seelisch sehr belastet. Tage davor kann sie nicht schlafen. Es stellen sich massive Ängste ein, die mit Valeriana, Ferrum sidereum, Argentum und Prunus nur schwer zu beherrschen sind. Teilweise muss sie nachts zitternd im Bett aufwachen. Aber die Therapie hilft, das Ca ist zunächst rückläufig und verschwindet dann vor 18 Monaten, d.h. etwa 6 Monate nach Therapiebeginn. Unterstützend wurden dem schlechten Kräftezustand der Patientin entsprechend niedrige Dosen Mistel gegeben: 2 x wöchentlich Iscucin Mali Stärke A s.c. gespritzt. Damit verschwinden ein großer Teil der Ängste und die massiven Schlafstörungen. Sie war zwischenzeitlich abgemagert und gewinnt nur langsam ihr Gewicht zurück.
Jedoch leidet sie immer nach den weiter durchgeführten Therapien und den dazwischen erfolgenden Kontroll-Zystoskopien an erheblichen Blasenbeschwerden mit zum Teil massiven schmerzhaften Hämaturien mit erheblicher Dysurie. Teilweise hat sie Angst vor dem Wasserlassen und zögert es möglichst hinaus. Vor etwa 12 Monaten wird zunächst täglich, dann alle 2 Tage, zuletzt alle 3 Tage mit den Kamilliendampfsitzbädern begonnen. Daraufhin bessern sich nicht nur die objektiven und subjektiven Blasenbeschwerden. Wesentlich ist es, dass ihre Stimmung und der allgemeine Wämehaushalt sich verbessern. Die vorher chronisch kalten Füße bessern sich an den Tagen, an denen keine der Kamillendampfsitzbäder stattfinden, die seelische Situation hellt sich auf und weicht einem vorsichtigen Lebensoptimimus. Weitere Änderungen der Therapie fanden nicht statt, im Gegenteil wurde die Medikation für die Blase abgesetzt. 2 x wöchentlich Iscucin Mali Stärke A wird weiter s.c. gespritzt.
RK
Fallbeispiel 2
Eine 88-jährige Dame mit fortgeschrittener Demenz wurde von ihrer Familie im häuslichen Umfeld gepflegt. Nach einem Schlaganfall konnte sie sich nicht mehr selber versorgen und war auf einen Rollstuhl angewiesen. Zusätzlich bestand ein chronischer Harnwegsinfekt, der durch Antibiose nicht besser geworden war.
An einem Tag hatte sie anhaltenden Harndrang und aufgrund der Demenz fehlte ihr jeweils kurz nach dem Toilettengang bereits die Erinnerung, dass sie soeben auf dem WC war. Schließlich brachte sie die pflegenden Angehörigen zur Verzweiflung, weil sie alle 5 Minuten vehement forderte, auf die Toilette zu müssen.
In dieser Situation wurde ein Kamillen-Dampfsitzbad angewendet. Der Effekt war frappierend: die Harndrangsymptomatik trat an diesem Tag nicht mehr auf! Aufgrund dieser Erfahrung wird das Dampfsitzbad seitdem im Rahmen der abendlichen Pflege angewendet. Die Blasenentzündung bestand zwei Wochen später weiterhin, aber eine so starke Symptomatik trat nur noch nach Tagen auf, an denen das Dampfsitzbad nicht durchgeführt wurde.
IF
Autor
Literatur
- Markus Sommer: Heilpflanzenbuch, aethera Verlag
- Georg Soldner, Individuelle Pädiatrie; Wissenschaftliche Verlagsgemeinschaft
- Birgitt Bahlmann, Pflegen daheim, salumed Verlag
- Vademecum Anthroposophische Arzneimittel
- Breg M; Fickler Ca. Das Kamillendampfsitzbad zur Prävention von Harnwegsinfekten bei Frauen. Poster der Abteilung für Transplantationsmedizin des Klinikums der LMU München (Leitung Prof. Dr. K.:Jauch) beim Deutschen Pflegekongress 2006
- Der Merkurstab 67, (2) 2014 Seite 149