Äußere Anwendungen in der Anthroposophischen Pflege

Pentagrammeinreibung

Substanzart

In der Regel Aurum/Lavandula comp. Creme

Leitgedanke zur Anwendung

Die Pentagramm-Einreibung hat ihren Platz besonders bei Schwerstkranken bzw. Patienten, die sich in einer Krisensituation befinden, in der große Unsicherheit darüber besteht, ob und wie es weitergeht. Das kurze, punktuelle Berühren der fünf Punkte an Stirn, Händen und Füssen in einer bestimmten Reihenfolge setzt eine sichere Handhabung sowie einfühlsame Gestaltung der Behandlungssituation voraus.
Die Pentagramm-Einreibung ist zugleich eine Reduktion und Konzentration auf wenige Punkte als auch ein Ansprechen des ganzen Leibes (vom Kopf bis zu den Füssen, vom Herzen bis in die Hände) und bietet dem Patienten die Möglichkeit, seinen Leib als Ganzes zu ergreifen und dadurch neu Kraft zu schöpfen für einen nächsten Schritt. Oft sind in der Folge der Einreibung Anzeichen von Lösung und Entspannung als auch ein Wiedereinsetzen des Wärmeflusses in die Peripherie zu beobachten.
Der Begriff „Pentagramm“ (oder auch Fünfstern) verweist auf alte Darstellungen, in denen der menschliche Körper wie eingespannt erscheint zwischen den fünf Punkten und den Kraftlinien, die zwischen diesen Punkten verlaufen. (s. Lit.) 

In der Regel wird Aurum/Lavandula comp. Creme verwendet. Es besteht aber auch vereinzelt  Erfahrung von Anwendungen mit anderen Substanzen/ Präparaten wie z.B. Gold-Rose-Lavendel –Öl von Lichterde oder auch ersatzweise eine möglichst neutrale Pflegelotion.

Leitgedanke zur Substanz

Indikationen

  • Biografische Krise
  • Krisensituation bei Schwerstkranken
  • Postoperatives Durchgangssyndrom
  • Unruhe und Angst im Sterbeprozess bzw. in der Palliativphase  (siehe Fallbeispiel 4)

Durchführungsbeschreibung

Die Pentagrammeinreibung kann in Kursen erlernt werden.

Beurteilungssicherheit
Bei vielen Patienten bewährt
Dosierung
Einmalig
Wirkungseintritt
Unmittelbar
Therapiedauer
Einmalige Anwendung oft ausreichend; Wiederholung ist möglich. Keine Dauerbehandlung.

Fallbeispiel

Fallbeispiel 1 (Substanz: Krankenhauslotion)
Herr A. - 74 Jahre alt - ist seit 6 Monaten in verschiedenen Kliniken. Wegen eines Gangräns an der Großzehe wurde er im Heimatkrankenhaus amputiert. In der Folge kam es zur Unterschenkelamputation, Sepsis und Oberschenkelamputation. Herr A. war mehrere Wochen in der Intensivpflege beatmet.
Nach der Verlegung in die Pflegestation bestand die pflegerische Hauptaufgabe in der grundpflegerischen Versorgung und der Motivation des Patienten.
Herr A. war sehr zurückgezogen, fast apathisch, überwiegend hatte er die Augen geschlossen, auf Ansprechen und Fragen reagierte er oftmals nicht. Die meisten Handlungen ließ er über sich ergehen oder wehrte sie murrend ab. Zu allen eigenen Tätigkeiten, wie zum Beispiel das Gesicht waschen, musste er aufgefordert werden. Von sich aus sprach er fast gar nicht. Einen wirklichen Kontakt konnte ich nicht herstellen.
Nachdem ich Herrn A. an drei aufeinander folgenden Tagen betreut hatte und mich mit ihm und seiner Krankengeschichte ein wenig vertraut gemacht hatte, entschloss ich mich am späten Vormittag  Herrn A. eine Pentagrammeinreibung anzubieten. Als ich zu ihm von der Pentagrammeinreibung sprach blieb er indifferent.
Da ich kein Öl zur Hand hatte, benutzte ich Esemtan Lotio. Das physisch nicht vorhandene Bein behandelte ich als wäre es da. Herr A. hatte die Augen geschlossen.

Am Ende der Einreibung öffnete Herr A. die Augen, sah mich mit klarem Blick fest an  und sagte : „Früher hätt` mer g´sagt a Hex`.“
Staunend verließ ich das Zimmer.
Eine Stunde später betraten wir – zur Übergabe am Bett -  wieder den Raum.
Schüchtern aber strahlend richtete Herr A. seinen Blick auf mich: „Jetzt war I g`rad a Weile in einem ganz schönen Land..!“
UT

Fallbeispiel 2:
Herr Sch. – 61 Jahre – lebt seit ca. 30 Jahren mit der Diagnose Schizophrenie und kam nach einem thoraxchirurgischen Eingriff zur postoperativen Überwachung auf unsere Intermediate Care Einheit.
Herr Sch. hatte Thoraxdrainagen, Infusionen, und war zur Überwachung am Monitor angeschlossen. Er litt sehr unter diesem Angebundensein und war unruhig. Dadurch löste er viel Alarm aus und wurde noch unruhiger.
Der Patient war auch außerordentlich beunruhigt, dass er im Umkreis der OP seine gewohnten Medikamente nicht bekam: „Schwester, ich war schon oft in der Irrenanstalt, geben Sie mir meine Medikamente, bitte, sonst muss ich wieder hin“. Diesen Satz wiederholte er den ganzen Nachmittag, er sprach fast ununterbrochen vor sich hin, auch fürchtete er, dass jemand seine Wertsachen stehlen würde. Alles geduldige Zureden, Versichern usw. half nicht. Beim Abenddurchgang hatte ich dann die rettende Idee: eine Pentagrammeinreibung.

Herr Sch. reagierte auf meinen Vorschlag und meine Erklärung freundlich gelassen.
Ungestört konnten wir in der Abenddämmerung tätig sein, der Bettnachbar schlief.
Herr Sch. beobachtete mich ganz genau.

Am Ende:  - STILLE -  und ein Satz: „Des isch, wie wenn mer vom Papst g´salbet wird.“
Danach schlief Herr Sch. fast unmittelbar  ein.
UT

Fallbeispiel 3
Frau G. -61 Jahre - hat sich vor 5 Monaten ihr bedrohliches Aneurysma operieren lassen.
Seit dem ist sie Hemiplegikerin mit Schluckdefiziten. Mit großer Energie und der Unterstützung von Familie und Freunden absolvierte sie die Rehamaßnahmen und konnte wieder laufen. Sie bekam ein Pleuraempyem und wurde mehrfach thoraxchirurgisch operiert. Dann nahm sie die Rehamaßnahmen wieder auf und bekam ein Rezidivempyem.
Zuletzt wurde ein Thoraxwandfenster mit Rippenresektion für die faustgroße Empyemhöhle angelegt. Täglich wird die Höhle gespült und verbunden. Frau G. wiegt zurzeit 47 kg und kann die Verrichtungen des täglichen Lebens nur noch mit maximaler Hilfe bewältigen. Fast alle in der Reha errungenen Fähigkeiten haben sich zurückgebildet.
Der Kampfgeist, der Optimismus, ihr Humor, ihre Lebens - und Liebekraft sind fast gänzlich erschöpft. Sie fühlt sich fremdbestimmt und ihrer Würde beraubt, nachdem man sie zu einer künstlichen Ernährung über eine nasogastrale Sonde überredet hat.

Frau G. erblühte nach der Einreibung regelrecht für einige Zeit. Die Backen röteten sich, die Augen blitzten auf, sie lächelte, die steile Falte zwischen den Augen glättete sich, der ganze gequälte Ausdruck löste sich.
Bei meiner nächsten Spätschicht bat sie mich um eine Wiederholung: „Das ist das schönste Nachtgebet das ich kenne“ sagte sie.

Mehrere Male konnte ich Frau G. ihren Wunsch erfüllen.
Die für mich wahrnehmbare Qualität war nicht immer gleich.
Frau G. selbst hat sich zur Qualität und zu ihrem Erleben außer beim ersten Mal nie geäußert. Jedes Mal hat sie sich aber mit einem frohen Lächeln und Worten bedankt und mir erzählt, dass sie nach der Einreibung immer sehr gut schläft und erfrischt und optimistisch aufwacht.
UT

Fallbeispiel 4
Eine 84 jährige Patientin befand sich im Sterbeprozess. Seit einer Woche fühlte sie große Angst und Unruhe.
Zur Beruhigung und Linderung der Angst erhielt die Patientin eine Pentagrammeinreibung mit Begleitung von Leiermusik.
Als Reaktion auf die Behandlung zeigte sich eine körperliche Reaktion: die Patientin streckte ihre Gliedmaßen weit von sich. Direkt nach der Einreibung und am folgenden Tag war sie ohne Angst und Unruhe.
Tags darauf entwickelte die Patientin Fieber und verstarb friedlich, also 2 Tage nach der Pentagrammeinreibung.
KK

Fallbeispiel 5
Eine 92-jährige Patientin wurde von einer Klinik heimatnah verlegt. Sie war in palliativer Situation: litt an einer Mitralklappen-Endokarditis, einer Spondylodiscitis, dann stellte sich ein akutes Nierenversagen ein und sie zeigte einen schlechten Allgemeinzustand. Bei der Aufnahme in der neuen Klinik bat sie: "Ich möchte noch ein bisschen länger leben." Nach einiger Zeit verschlechterte sich der Zustand: sie wurde unruhig, verwirrt, orientierungslos und sprach in unverständlicher spanischer Sprache, Füße und Hände waren eiskalt. Sie erhielt die erste Pentagrammeinreibung, da der Eindruck entstand, dass mit dieser Symptomatik sich ein beginnender  Sterbeprozess zeigt (die Wesensglieder "lockern" sich). Während der Behandlung sagte sie: "Ich sterbe." Dann wurde sie ruhig, und schlief 2 Stunden. Hände und Füße waren warm. Nachmittags war sie klar und erkannte ihre Angehörigen.
Die zweite Einreibung folgte am nächsten Tag. Die Patientin sprach wieder mit  ihren Angehörigen wach und klar. Am Nachmittag nach der dritten Einreibung verschied sie  friedlich inmitten ihrer Familie.

Die verwendete Substanz: Dreikönigssalbe (selbst hergestellt): Ceraflava +1 Ampulle Aurum D30 +Weihrauch +Myrrhe
SF


Autor

TB, BD, UT, KK

Literatur

  • Batschko, E.-M. (2011). Einführung in die Rhythmischen Einreibungen. Stuttgart: Johannes M. Mayer & Co
  • Layer Monika, (Hrsg), Praxishandbuch Rhythmische Einreibungen nach Wegman/Hauschka, 2. Auflage 2014, Verlag Hans Huber, Bern
  • Vademecum Anthroposophische Arzneimittel, Aurum/Lavandula comp.